Kinderladen Bande bleibt!

Es sind nun einige Monate vergangen seit unserer Protestaktionen im letzten Herbst, um uns gegen die Kündigung der Bande bzw einer 400%igen Mietsteigerung durch den neuen Hauseigentümer, der Deutsche Investment – Wohnen III Immobilienfonds, zu wehren. Nach dem großen öffentlichen Druck, nicht zuletzt dank der vielen Mitstreiter, kam der Geschäftsführer der verwaltenden EB Immobilienmanagement, Enver Büyükarslan, persönlich zu Besuch zu unserer öffentlichen Nikolausfeier am 06.12.2017 und bot uns eine Einigung an.

Dieses Einigung ist inzwischen dingfest und der neue Mietvertrag unterschrieben: so lange die EB Immobilienmanagement verantwortlich ist, wird dem Kinderladen Bande e.V. ein unbefristetes Mietverhältnis eingeräumt, bei dem sich die Miete nach den dafür vorgesehenen Bezügen vom Berliner Senat richtet. Die Bande darf demnach bis mindestens 2025 in der Oranienstraße 202 bleiben.

Wir sind erleichtert, dass die neuen Hauseigentümer unsere Umstände als soziale Einrichtung berücksichtigt haben, und würden uns freuen, wenn sich für die benachbarten Einzelhändler eine ebenso akzeptable Regelung finden liesse.

Genauso wie wir uns wünschen, dass sich Immobilienbesitzer stadt- und landesweit diesem Modell anschließen und freiwillig ihre Mietforderungen an soziale Einrichtungen den dafür berechneten Sätzen der Träger, in unserem Fall der Stadt Berlin, anpassen. Wir hoffen, daß diese Lösung als Präzedenzfall für andere Kindergärten, die vor ähnlichen Problemen stehen, Orientierung geben kann.

Denn es darf nicht sein, dass Kinderläden und soziale Einrichtungen zwischen den Gesetzen des Marktes und den Gesetzen des Landes aufgerieben werden. Hierfür steht die Politik in der Pflicht, eine neue gesetzliche Regelung für den Mietschutz von öffentlichen Einrichtungen zu finden. Aber auch die Immobilienbesitzer tragen eine Verantwortung, nicht nur gegenüber ihren Anlegern, sondern für ihre Bewohner und Mieter sowie der sozialen Struktur der Nachbarschaft.

Immobilien sind nicht Spekulationsobjekte, sondern Wohn- und Lebensraum, und Städte sind für uns alle da – für arm und reich, für alt und jung. Und damit wir als Kinderladen uns um die Zukunft unserer Städte – unsere Kinder – kümmern können, müssen wir als Bewohner dafür sorgen, dass hierfür auch in Zukunft genügend Platz und Spielraum zur Verfügung steht. Denn das eine ist ohne das andere nicht zu haben.

Kinderladen Bande e.V.
03.04.2018

Veröffentlichung vom 21.09.2017

Wir sind der Kinderladen Bande e.V. in der Oranienstraße 202. Die Bande wurde dort am 1.11.1983 als Elterninitiative gegründet, weil die Stadt nicht ausreichend Kitaplätze anbieten konnte. Seit 34 Jahren begleitet die Bande eine Gruppe von 15 Kindern zwischen 1 und 6 Jahren bei ihren ersten Erfahrungen mit dem Leben außerhalb der Familie: das Zusammenleben auf Augenhöhe mit anderen und unterschiedlichen Kindern, die ersten Freundschaften, das gemeinsame Lernen und Erfahren der Welt. Seit 34 Jahren sind wir eng mit unserer Nachbarschaft verbunden: tagtäglich begegnen wir auf der Straße Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen, die in unserer Remise und Innenhof ihre ersten Schritte für das weitere Leben gemacht haben.

Bald müssen wir den ersten Satz anders beginnen:
Wir waren der Kinderladen Bande e.V. in der Oranienstraße 202 – unser Mietvertrag wurde im Juni zum 31.10.2018 fristgemäß gekündigt. Das Gebäude wurde, wie die gesamte Straßenzeile von Haus 199 bis 205 der Oranienstraße, zu Anfang diesen Jahres an die Deutsche Investment Kapitalverwaltungsgesellschaft mbH, handelnd für den Immobilien Spezial AIF “Deutsche Investment – Wohnen III”, veräussert.
Unseres Wissens wurden alle gewerblichen Verträge der betroffenen Gebäude zum jeweils nächstmöglichen Termin gekündigt, was einen tiefen Eingriff in die über Jahrzehnte gewachsenen Strukturen unserer Nachbarschaft bedeutet. Die Deutsche Investment, mit Hauptsitz in Hamburg, investiert das Kapital ihrer Anleger in Immobilienfonds. Bei einem Gespräch mit der beauftragten Hausverwaltung EB Immobilienmanagement GmbH teilte uns deren Vertreter mit, es sei Aufgabe der neuen Eigentümer, die Anlagen ihrer Investoren mit größtmöglicher Rendite zu verwalten. Als soziale Einrichtung wurde uns angeboten, unseren Mietvertrag zu dem vierfachen Betrag unserer jetzigen Miete zu verlängern – kalt und im Ist-Zustand.

Das mag rechtens sein – aber richtig oder gerecht ist es nicht.

Seit Jahr und Tag und zu jedem Wahlkampf wieder wird uns von der Politik versprochen, mehr in die Bildung und Erziehung unserer Kinder zu investieren. Leider gehen viele der gutgemeinten Vorschläge dazu völlig an der Realität vorbei.

Wir hätten dazu noch ein paar Fragen.
Vor einigen Jahren veranlasste die Regierung unter Frau Merkel, dass jedes Kind ab einem Jahr ein Anrecht auf einen Kitaplatz habe. In der Praxis sieht es leider anders aus: es werden nicht nur nicht genügend ErzieherInnen ausgebildet und neue Kindergärten gebaut, es müssen auch alteingesessene und bewährte Kitas weichen, weil sie nicht mehr angemessen unterstützt werden, trotz aller Haushaltsüberschüsse. Wie soll das funktionieren?

Kitas sind, wie die meisten sozialen Einrichtungen, gemeinnützige Vereine. Sie dienen, wie der Name schon sagt, nicht der eigenen Gewinnmaximierung, sondern dem Nutzen aller. Trotzdem gibt es für Kitas und soziale Einrichtungen kein gesondertes Mietsverhältnis – wir müssen einen gewöhnlichen gewerblichen Mietvertrag schließen und sind somit den Schwankungen des Marktes ausgeliefert. Wie kann das sein?

Unsere Kita ist eine Elterninitiative. Als gemeinnütziger Verein werden wir wie alle Kitas vom Berliner Senat finanziert – allerdings nicht gemessen an unseren tatsächlichen Ausgaben, sondern an einer festgelegten Kind-Pauschale. Innerhalb dieser Pauschale sind vom Senat für Mietkosten derzeit €375,24 pro Kind und Jahr für die Kaltmiete vorgesehen, was sich bei unseren Räumen auf knapp €4 Kaltmiete pro m2 umrechnen lässt. Die EB Immobilienmanagement GmbH hat uns nun eine Kaltmiete von €15 pro m2 angeboten. Eine zusätzliche Finanzhilfe wurde von dem Berliner Senat auf Anfrage abgelehnt, mit der Begründung, dass man nicht die Mietspirale weiter anfachen wolle.
Wie soll das gehen?

Die Bande liegt mitten in Kreuzberg, einem Bezirk, der sich seit Jahren wegen seiner Vielfalt, Kreativität und Lebendigkeit größter Beliebtheit erfreut. Es ist ein organisch gewachsener Bezirk, und er wird dafür geschätzt. Junge Menschen aus aller Welt ziehen nach Kreuzberg, und diese Beliebtheit hat die Aufmerksamkeit der Konzerne und Investoren auf sich gezogen: Kreuzberg ist inzwischen der Bezirk mit den höchsten Mietpreisen Berlins. Gleichzeitig ist Kreuzberg aber auch immer noch einer der ärmsten Bezirke Berlins. Wohin diese Mischung führt, haben wir oft genug gesehen: das Geld kommt, und die Einwohner müssen weichen – bis von einem Bezirk nichts mehr übrig ist, wofür er einst geliebt wurde. Muss das sein?

Wir haben in 34 Jahren Kreuzberg sämtliche Wandlungen miterlebt, vom Mauerfall bis zur Gentrifizierung – um unsere Zukunft mussten wir bisher allerdings nicht fürchten. Stattdessen konnten wir uns voll und ganz den Kindern widmen und unser Bestes geben, ihnen ein Gefühl für Verantwortung, Mitmenschlichkeit und Gerechtigkeit zu vermitteln. Wir wollen unseren Kindern dabei offen und ehrlich und auf Augenhöhe begegnen und ihnen einen gesunden Umgang mit den Herausforderungen des Lebens zeigen. Aber wie werden wir ihnen erklären, warum es die Bande bald nicht mehr geben wird?
Kinder sind die Zukunft, und es ist ein Armutszeugnis für uns und unsere Stadt, dass wir ihren Lebensraum nicht gegen die kurzsichtigen Interessen von Investoren schützen können. Dass der Eigennutz einiger weniger Firmen mehr wert sein soll als unser aller Gegenwart und Zukunft. Stadt ist Wohnraum und Lebensraum von Menschen und kein Spekulationsobjekt.

Bei ersten Gesprächen mit Verantwortlichen der Stadt wurde uns immer wieder gesagt, da könne man nichts machen, ihre Hände seien da gebunden. Wir – die Kinder der Bande e.V. aus der Oranienstraße 202, ihre Eltern und ihre Erzieher – können und wollen das nicht hinnehmen. Wir können es nicht glauben, dass die Regierung, der Berliner Senat, die Politik nicht in der Lage ist, die Rechte und Interessen ihrer Bürger – aller Bürger – angemessen zu vertreten und zu beschützen.

Berlin ist unsere Stadt, und unsere Kinder sind unsere Hoffnung, aber auch unsere Verantwortung. Wir wollen weiterhin unseren kleinen Teil dazu beitragen, in der Oranienstaße 202. Wir erwarten vom Berliner Senat, dass er sein übriges tut und seinem Mandat gerecht wird, sich für die Interessen unserer Stadt und ihrer Bewohner und insbesondere ihrer Kinder mit aller Kraft einzusetzen.

Denn das, so lässt es sich schlicht und einfach zusammenfassen, sind wir ihnen schuldig.

Kinderladen Bande e.V.
21.09.2017